Düsseldorf im März 2014
Eine große, gut aussehende, sehr gepflegte Frau betritt das Café. Sie kommt an meinen Tisch: „Hier in Düsseldorf findet man überhaupt keinen Parkplatz. Ist ja Wahnsinn. Ich parke jetzt vor dem Steigenberger. Hab die Jungs, die da am Hotel standen, bezirzt. Das ging so lange gut, bis ich gesprochen habe, da bekamen sie große Augen. Das passiert mir häufiger, aber stehen bleiben durfte ich dann trotzdem.“ Petra lächelt.
In dem Café ist es Petra zu laut. „Komm, lass uns ’ne Runde raus gehen.“
„Letzte Woche hätte ich nicht so große Lust gehabt, mich mit irgendjemanden zu treffen. Da hatte ich heftige Depressionen. Jetzt wird es langsam wieder. Es ist ein ständiges Auf und Ab im Moment. Ist aber wohl eher hormonell bedingt.“
Vor über einem Jahr trennten Petra und ihr Freund sich. „Mein Exfreund war ein wichtiger Teil in dem Lebensabschnitt, in dem er mich begleitet hat. Als Hypnotherapeut hat er mich viel über das Finden des eigenen Ichs gelehrt. Wenn’s mir nicht gut ging, hat er immer gesagt, ich solle mir Kraftpunkte suchen.“ Bäume sind solche Kraftpunkte für Petra.
„Wenn es mir nicht gut geht, denke ich an meinen Lieblingsbaum und umarme ihn virtuell. Das gibt mir – neben meinen Freunden – positive Energie und Kraft.“
“Sag mal, sind bei Euch in der Familie alle so schlank?“ fragt Petra hinter mir, als wir durch den Park gehen. „Seitdem ich mit der Einnahme der Hormone begonnen habe, habe ich ordentlich zugenommen. Aber man kann nicht alles haben.“
Petra war 42 als sie mit ihrer Transition begann. Das ist 7 Jahre her. „Seit meiner Pubertät habe ich mich ganz bewusst damit auseinandergesetzt. Erst dachte ich, ich sei Transvestit, habe auch einige Jahre versucht so zu leben. Das war eine teilweise sehr heftige Zeit. Dann kam die Gewissheit, dass ich eine Frau bin. Kurz vor meinem Coming Out hätte ich sogar fast noch geheiratet. Das wurde dann zum Glück nichts mehr.“
„Die jungen Transfrauen“ findet Petra, „haben es alle so eilig. Es ist wichtig, dass man ab und zu mal anhält und reflektiert, was man da so tut. Passt das noch zu mir? Bin ich das wirklich?“ Wenn die alles entscheidende Operation durch ist, ist es zu spät. Immerhin kann die „geschlechtsangleichende OP“, oder, wie Petra sie nennt, die „geschlechtsumformende OP (GuOP)“ nicht rückgängig gemacht werden.
Lange Zeit hatte Petra diese OP für sich ausgeschlossen. „Dann bin ich eines Morgens aufgewacht und es war klar, dass das mein Weg ist.“ Fünf Eingriffe hatte Petra seither. Das erscheint mir viel. „Ist es aber nicht. Die meisten reden aus Scham nur nicht darüber, wenn es nicht gut läuft. Dabei sind Korrektur-OPs fast immer notwendig. Wenn man sich einmal dafür entschieden hat, diesen Eingriff zu machen, soll es ja perfekt werden. Und ich will ohne Schmerzen leben.“
Während wir spazieren gehen, bleibt Petra immer mal wieder stehen, um sich etwas Schönes genauer anzusehen. Einen Baum, ein Gebäude ein Denkmal. Petra liebt es, sich mit Schönem zu umgeben, die Schönheit des Lebens zu leben und schöne Dinge zu unternehmen.
Was vielen nicht klar sei: „Mit der Transition tauschst Du oftmals einen Sack Probleme gegen einen anderen. Damit rechnen die meisten von uns nicht. Sie denken, wenn ich erst die OP habe und alles geändert wurde, ist alles gut.“
Die Erwartungshaltung ist abhängig vom Erfahrungsstand. Deshalb betreibt Petra eine Website, auf der sie von ihren Erfahrungen berichtet und auch nützliche Dinge für transsexuelle Menschen und für deren Angehörige veröffentlicht.
„Da in den Transgruppen ungern über negative Erfahrungen berichtet wird, gehen viele auch etwas naiv an die Sache heran. Ich sicherlich auch.“
Petra sagt, der Moment, in dem sie endlich wusste, was mit ihr los war, war viel befreiender als die GuOP.
Über die Geschichte ihres Lebens schreibt Petra in einem Buch „Eine Komödie soll das werden. Seit 30 Jahren schreibe ich daran. Natürlich habe ich auch von den typischen Schicksalsschlägen zu berichten. Aber es passieren doch auch schöne und vor allem lustige Sachen in meinem Leben. Ich bin ja nicht nur transsexuell, ich bin ein Mensch mit allen Höhen und Tiefen.“
Im Park läuft eine Dame auf hochhackigen Schuhen an uns vorbei. „Sowas mag ich. Wenn ich 25 Jahre jünger wäre und 25 Kilo leichter, wäre ich wohl eine richtige Tusse geworden.” Petra lacht.
Wir gehen noch einen Kaffee trinken. „Aber bitte in ein ruhiges Café, in dem nicht viel los ist und in dem wir uns unterhalten können.“ Wir landen im Steigenberger. „Das wäre jetzt nicht so das Café, in das ich aktuell gehen würde, der Kaffee wäre mir zu teuer. Aber schön ist es hier.“
Petra ist begeistert von den Schuhlampen auf den Beistelltischen. Die würde sie sofort mit nachhause nehmen. Gemeinsam suchen wir nach einem Preisschild – und finden es. „Ne! Die sind ja verrückt. Das kann ich auch selber machen.“
Eine neue Beziehung wünscht Petra sich. „Heteromänner sind sehr gesellschaftsbezogen. Die meisten suchen sich Frauen, die sie präsentieren können. Frauen ticken da anders. Aber ich bin nun mal nicht lesbisch. Deswegen funktionieren Beziehungen nicht wirklich gut bei mir.
Petra war auch auf Singleplattformen unterwegs. „Da hast Du aber nur Chancen, wenn Du noch weit entfernt bist von der 50 und nicht transsexuell. Ich habe immer die Wahrheit gesagt – bis ich gemerkt habe, dass ich die einzige bin. Also mogel ich jetzt auch. Ist ja sonst ein unfaires Spiel.“
Einen Mann im Alltag kennenzulernen findet Petra schwierig. „Es scheint etwas zu geben, das mich als transsexuelle Frau outet. Ich habe da vor kurzem mal eine Umfrage gemacht unter Freunden: „Woran erkennt man es?“ Die meisten haben sich erstmal nicht getraut, was zu sagen. Dann kamen ganz spannende Sachen raus: „Deine Hände und Handgelenke.“, „Deine Art zu gehen.“ und „Wie Du Dein Bier trinkst.“ Na ja, da habe ich meine Rolle als Mann 40 Jahre lang wohl zu gut ausgefüllt. Ich war ein richtiger Macho.“
Ein Event, das sie bis vor kurzem regelmäßig besuchte, ist die „Kochpott-Guerilla“. Einmal im Monat kommen hier bis zu zehn Menschen in einer Mülheimer Privatwohnung zusammen, um sich von Top-Köchen zu einem fantastisch günstigen Preis bekochen zu lassen. „Die Köche probieren ihre neuesten Kreationen aus und bekommen ehrliches Feedback. So hat jeder etwas davon.“ Petra liebt es, neue Menschen kennenzulernen. Und doch: „Viele Menschen reduzieren mich sofort auf die Transsexuellen-Thematik. Ich habe aber auch andere Themen in meinem Leben. Ich bin lustig, ich bin unterhaltsam. Ich bin ein Mensch!“
„Zuhause habe ich eine ganze Fotowand mit Fotos von mir und der letzten 6 Jahre meines Weges. Einmal stand eine Bekannte staunend davor und meinte: „Auf Fotos siehst Du ja richtig gut aus.“ Das ist ja wohl das schönste Kompliment, das ich je bekommen habe.“ Wieder dieses herrliche Lachen.
Etwas Persönliches hat Petra mitgebracht. Es ist eine Kette. Die erste, die sie sich gekauft hat. „Das war in meiner ersten Phase, als ich versuchte, es vor über 35 Jahren noch heimlich auszuleben. Von diesen Phasen gab es mehrere. Aber immer fehlte mir der Mut, meinen Weg zu gehen und ich machte alles rückgängig, warf alles weg, was damit zu tun hatte. Nur die Kette habe ich immer behalten.“
An einem Nebentisch sitzt ein Paar. Die junge Frau hat ihrem Äußeren ganz offensichtlich nachgeholfen. Nase, Lippen, Busen sehen nicht echt aus. Petra und ich sind geteilter Meinung, ob das nun schön ist oder nicht. „Wenn ich das Geld hätte, würde ich viele OPs machen. Meine Nase richten lassen als erstes. Die ist viel zu groß. Und auch sonst gibt es viel zu tun. Aber das ist unabhängig von der transsexuellen Thematik. Ich habe einfach Riesenangst vor dem Älterwerden. Die 50 steht mir so richtig bevor.“
Vor einiger Zeit hatte Petra es in die Endrunde der Sendung „Extrem Schön“ geschafft. Viele OPs einschließlich der geschlechtsumformenden wären ihr bezahlt worden. Doch ihr Psychologe stellte ihr das dafür notwendige Gutachten nicht aus. „Damals hätte ich die Wände hochgehen können vor lauter Wut und Enttäuschung. Ich hatte mein ganzes schönes neues Leben schon vor mir gesehen. Jetzt denke ich, dass es gut so war. Er hat mich da vor etwas geschützt, das mir geschadet hätte. Hast Du mal gesehen, wie die sich da zur Schau stellen mit den Vorher-Nachher-Aufnahmen? Die hätten mich auch nackt mit meinem vermännlichtem Körper zeigen wollen.“
Die wichtigsten Stationen ihres Lebens hat Petra sich tätowieren lassen. „Meine Lieblingsblume ist die Pfingstrose. Sie schlängelt sich, anfangs verkümmert, von der Leiste bis zum Schulterblattentlang. Dort siehst Du die wichtigen Stationen meines Lebens: Unten siehst Du einen Engel. Das bin ich. Es folgt das Datum meines Coming Outs, danach der Tag an dem ich mit der Hormontherapie gestartet habe. Dann die Namensänderung, die OP.“
Was kommt als nächstes? Wovon träumst Du?
„Von Gesundheit und sozialer Sicherheit. Und am meisten: von Normalität. Und das für mich und für alle transsexuellen Menschen dieser Erde. Davon, dass endlich angefangen wird, den Menschen zuzuhören und zu glauben, was sie wissen.
Und privat wünsche ich mir noch einen netten Mann an meiner Seite, der mich so liebt wie ich bin und den Rest meines Leben mit mir verbringen möchte. Ja, ich bin manchmal etwas schnulzig.“
Hallo,
Was für ein schönes Porträt von Petra. Was für eine hübsche, lustige und interessante Frau!
Ich wünsch dir alles Gute für die Zukunft, Petra.
Alles Liebe.
Nika
Boah. Richtig, richtig gut.
Und zudem äußerst charismatisch und sehr weiblich.
Dies als kurzer Eindruck von meiner Seite. – Vielleicht wird es ja gelesen und könnte ein keiner Beitrag gegen Depressionen sein.
<3-lich, Batschpeng
Ohh, soo schön! Ich freu mich so Petra nun auch gesehen zu haben! Bin ich doch langjährige Leserin ihrer Seite „hormonmädchen.de“. 🙂
Es tut so gut, diese Zeilen zu lesen. <3 Ehrlich, authentisch, ohne Klischees!
Ich(45) finde mich in so vielen Aspekten wieder, zumal ich auch trans bin und nun seit erst 2.5 Jahren den grossen Schritt gewagt habe.
Die Seite "hormonmaedchen.de" hat mir besonders in der ersten Zeit geholfen, mich mit den unzähligen Themenbereichen zu befassen. Hier ein dickes DANKE an Dich, liebe Petra! 🙂