Düsseldorf, im März 2015
Na, hübsche Dame, kann ich Ihnen behilflich sein?“ Aleks holt den Kinderwagen näher zu sich heran und nimmt seine Tochter auf den Arm.
Vier Monate ist sie jetzt alt. „Weihnachten läuft sie schon, Schatz! Was machen wir denn dann?“ sagt Kathy neben ihm. „Sie wächst so schnell!“
Seit einem Jahr sind Kathy und Aleks ein Paar, kennengelernt haben sie sich bei einem Umzug von einem gemeinsamen Freund.
„Wir waren uns sofort sympathisch, aber nach einigen unschönen Erfahrungen nicht gerade an einer Liebesbeziehung interessiert. Naja, wenn es funkt, dann funkt es einfach und es passt. Das viele Schreiben mit so vielen Frauen wurde mir sehr schnell zu anstrengend, also habe ich Kathi ganz schnell ein Treffen vorgeschlagen.“
Es wurde die große Liebe, aus der die kleine Clara entstand.
Kurz nach ihrem ersten Treffen erzählte Kathy ihrer Mutter, dass sie jemanden kennen gelernt habe. „Wie heißt sie denn?“ fragt ihre Mutter. „Ne, Mama, das is’n Typ.“ Ach so. Ist er schwul?“
Aleks erzählt von seiner ersten Begegnung mit Kathys Mutter: „Als ich Kathys Mutter zum ersten Mal sah, hatten wir bei ihr zu Hause übernachtet. Ich kam morgens im Schlafanzug auf die Terrasse nach unten. Und Ihre Mutter schaute immer so komisch. Sie konnte mich überhaupt nicht einordnen.“ Wochen später erzählte Kathys Mutter den beiden, dass Sie an diesem Morgen beim Gassi gehen eine Freundin auf der Hundewiese von dem neuen Freund ihrer Tochter berichtet hatte und davon, dass sie nicht so genau wisse…. Die Freundin brachte die Sache auf den Punkt: „Vielleicht war der mal ’ne Frau.“
„Und schon war alles geklärt. So einfach war das mit Kathys Mutter. Alles so herrlich unkompliziert.“
Aleks Leben vor Kathy war alles andere als unkompliziert: In einem berufsbegleitenden Studium mit integriertem Praktikum machte Aleks seinen Bachelor of Arts in Beruflicher Beratung und Fallmanagement. Nach dem Studium arbeitete Aleks als Berufsberater mit Jugendlichen unter 25 bei der Arbeitsagentur. Zunächst war er in Köln, dort gefiel es ihm gut. Dann wurde er nach Lüdenscheid versetzt. „Lüdenscheid war die Hölle! Spießiger, kleinbürgerlicher, engstirniger geht es kaum.“
„Meine Chefin fragte mich als allererstes nach meinem Outing: „Bist du dann jetzt schwer behindert?“
So ging es weiter:
In seinem Job war Aleks auch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Als nach seinem Outing wieder ein Pressetermin anstand, bat die Chefin ihn in geschlechtskonformer Kleidung aufzutreten. „Was immer das für sie bedeutete. Ich hatte ja schon immer nur Hosen getragen. Zu dem Termin bin ich nicht gegangen.“
Aleks bat darum, ab sofort aus der Pressearbeit rausgehalten zu werden. Auf seine Bitte wurde nicht eingegangen. „Ihren Wunsch nach Kleidchen habe ich aber nie befolgt, sondern war konsequent in Hose, Hemd und Weste unterwegs. Die Weste war notwendig wegen dem Brustbinder.“
Zu lange hatte Aleks sich verstellen müssen. Seinen letzten offiziellen „Auftritt als Frau“, wie er es nennt, hatte er während seines Studiums bei einem EU Praktikum in Brüssel. „Die Vorgabe dafür war, dass ich als Frau komme. Also lieh ich mir von Kolleginnen Frauen-Klamotten Handtaschen und Tücher.“
Ein letztes Mal verstellen.
2010 beendete Aleks sein Studium. „Ich war so unglücklich damals. Und habe mir Speck angefressen: 160 Kilo habe ich zum Schluss in meiner Zeit in Brüssel gewogen.“
Der Leidensdruck war groß. Gleich nach dem Studium sollte es deshalb losgehen mit seiner Transition.
Im Februar 2011 suchte Aleks sich einen Therapeuten. „Das war kein guter Einstieg. Wir kamen überhaupt nicht miteinander zurecht. Gleich zu Beginn machte er mir die Auflage, dass ich mit meinem offiziellen Outing noch bis Januar 2012 warten solle. Warum?!“
Der Therapeur erklärte Aleks den Ablauf. Bei einem nächsten Termin sagte Aleks ihm, dass er aus beruflichen Gründen seine Personenstands- und die Namensänderung bereits beantragt habe.
Auch dann noch wollte der Arzt den Start der Hormontherapie um weitere 11 Monate verzögern. Das war vertane Zeit.
Im April suchte Aleks sich eine neue Therapeutin. Die hatte keine Zweifel an Aleks‘ Transsexualität und setzte sich für einen schnellen Beginn der Testosteronbehandlung ein. Diese startete im September 2011.
Fast zeitgleich stand der Besuch bei den Gutachtern an.
2 Gutachten sind Voraussetzung für die Personenstands- und Namensänderung. „Es begann damit, dass ich meinen Oberkörper frei machen sollte. „Nein, ganz sicher nicht“, habe ich ihm gesagt. Ich zeige mich doch nicht mit einem Oberkörper, mit dem ich unglücklich bin.“ Und es wurde noch schlimmer: Aleks hatte seine damalige Freundin zu dem Termin mitgebracht. Sie wurde von dem Gutachter nach Aleks‘ sexuellen Praktiken befragt. „Und dann musste ich einen 80-seitigen Fragebogen ausfüllen.“ Alles so erniedrigend.
Und doch hatte Aleks Glück: beide Gutachter stellten ihm die notwendigen Gutachten aus und Aleks war ab April 2012 offiziell ein Mann mit dem richtigen Namen.
Jetzt hat auch Dean, der mit Aleks und Kathy für unser Gespräch nach Düsseldorf gekommen ist, einiges zu berichten. Von der Macht der Therapeuten. Von Freunden, die zur gleichen Zeit mit der Therapie begonnen haben und bis heute kein Testosteron bekommen. „Das ist ganz schlimm! Es ist überhaupt keine Frage, dass sie Männer sind. Von ihrem Therapeuten bekommen sie aber Vorgaben, wie sie sich gefälligst im Leben zu verhalten haben, damit er ihnen die Männerrolle abnimmt.“
Aleks sagt, er habe sein ganzes Leben lang als Mann gelebt und gehandelt. Wenn es denn so etwas gibt. Was ist das? Als „Mann handeln“? „Ich war immer der Handwerker im Haus. Ich hatte immer die Karriere im Blick. Mannsein bedeutet mit dem Rudel zu laufen.“ Und doch: “ Männlich ist nicht das Gegenteil von weiblich. Also ist es auch nicht möglich, eine Vorgabe zur Verhaltensweise zu machen.“
Aleks und Dean sind sich aber auch einig, dass eine intensive Begleitung vor dem letzten Schritt wichtig ist, gerade für junge Menschen: „Transsein ist in Mode seit Balian Buschbaum. Heute wird Trans schnell als Erklärungsversuch heran gezogen, wenn etwas nicht so ist, wie es sein soll. Das ist gefährlich.“
Dean ist schon weiter, er weiß, dass es für ihn nur den Weg als Mann gab. 24 wird er dieses Jahr und er träumt davon, eine Freundin und Kinder zu haben. „Aber keine, die ja und Amen sagt.“ Kathy, die ihm gegenüber sitzt, lacht: „So eine würdest du sowieso nicht finden!“ Dean wagt ein vorsichtiges Lächeln: „Ich bin geprägt von meinen lesbischen Beziehungen in der Vergangenheit. Da musste ich immer selber den Mann stehen. An meiner Seite brauche ich eine starke Frau.“
„Was machst Du beruflich, Dean?“
„Zurzeit suche ich. Ich habe bei Amazon im Weihnachtsgeschäft gearbeitet und es war genauso, wie man sich das vorstellt….“
Vor fünf Jahren ist Dean zu Hause ausgezogen. „Aber ich wohne direkt neben meinen Eltern, die ertragen mich seit 24 Jahren. Dann können Sie das auch noch länger. Meine Mutter ist super! Auch, wenn sie mir das mit dem Blumenmädchen angetan hat.“ Dean lächelt vorsichtig:
Mit fünf oder sechs Jahren war er zweimal Blumenmädchen. „Ich habe es so gehasst.“
Dean und Aleks waren für Ihren ersten Eingriff zur gleichen Zeit im Krankenhaus in Düsseldorf. Damals kannten sie sich noch nicht und freundeten sich auch erst später an. Aleks erzählt: „Wir treffen uns regelmäßig mit anderen Transmännern. Das ist aber keine Selbsthilfegruppe! Das ist mir ganz wichtig. Es ist ein Treffen unter Freunden. Letzten August saß plötzlich auch Dean zum ersten Mal dabei.“
Entstanden ist das Treffen aus einer Facebookgruppe für transidente Menschen. „Als wir feststellten, dass wir gar nicht so weit auseinander wohnen und uns sympathisch sind, haben wir uns live getroffen. Die Meisten sind in unterschiedlichen Stadien der Transition, manche ganz am Anfang, andere sind irgendwo mitten drin und wenigstens einer ist inzwischen durch mit der Transition. So findet jeder einen oder mehrere Ansprechpartner. Da wir auch Partner und Freunde gern bei den Treffen dabei haben, wurde daraus schnell ein Freundeskreis und, klar, man kann jederzeit eine Frage stellen, aber insgesamt verbindet uns mehr als nur Trans*. Durch meinen Job ist die Gruppe leider derzeit etwas eingeschlafen; ich hoffe aber, dass sich das wieder ändert.“
Für Aleks ist mit Kathy und seiner Tochter ein Traum in Erfüllung gegangen. Ihre Wohnungen in Iserlohn und Hagen haben Sie beide behalten. Sie pendeln hin und her. „Im Sommer muss es mein Häuschen in Hagen sein! Ich brauche die Landschaft um mich rum und die Weite, die Ruhe.“ “Wir haben einen Tierhaushalt. Zwei Katzen von Kathy, zwei Hunde von mir.“
Aleks, wovon träumst Du?
„In erster Linie Gesundheit. Einen Job, der nicht nur auf dem Papier 30 Stunden umfasst, damit ich Zeit finde, um unsere Tochter aktiv mit zu erziehen und damit ich meine Frau ab Ende des Jahres bei ihrer Umschulung unterstützen kann. Ich träume davon mein Häuschen weiter auszubauen, so dass es irgendwann ein richtiges Selbstversorgerhaus wird mit Solarenergie, Regenwasserrückgewinnung und allem was sonst noch dazu gehört. Da ich bereits die beste Partnerin an meiner Seite habe, würde ich mich auch sehr über ein zweites Kind freuen.“ Pause. Aleks lacht: „Diesmal am Liebsten einen Sohn.“