Im Juli 2019 war „Max ist Marie. Mein Sohn ist meine Tochter ist mein Kind.“ im Rathaus der Landeshauptstadt Wiesbaden zu sehen.
Das Grußwort zur Ausstellungseröffnung am 15.07.2019 von Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende wurde uns von der LSBT*IQ-Koordinierungsstelle zur Verfügung gestellt.
Vielen Dank!
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Anwesende
Ich begrüße Sie herzlich zur Eröffnung der Ausstellung „Max ist Marie – mein Sohn ist meine Tochter, ist mein Kind“.
Ich begrüße insbesondere:
- Petra Weitzel, Bundesvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität – Kathrin Stahl, Fotografin/Künstlerin
Heute und in den nächsten zwei Wochen werden im Foyer des Rathauses Porträts von Menschen gezeigt, die sehr unterschiedliche Leben führen. Die eine liebt Techno, der andere spaziert gerne durch den Park. Der eine studiert, die andere ist in Rente. So unterschiedlich die Protagonistinnen und Protagonisten von Kathrin Stahls Foto- und Textprojekt „Max ist Marie“ sein mögen: Es verbindet sie doch ein bestimmter Aspekt ihrer Biografie, der ihre Leben beeinflusst und verändert hat. Und sie sind bereit, darüber zu erzählen.
Transidentität ist ein Thema, über das die wenigsten Bescheid wissen. Man hat mal davon gehört oder einen Bericht darüber gelesen. Aber kaum jemand kennt transsexuelle und transidente Menschen. Was man nicht kennt und worüber man nicht viel weiß, wird oftmals pauschal abgelehnt.
Diskriminierung und feindseligen Einstellungen basieren oft auf wenig Kenntnis oder falschen Annahmen. Das wirkt sich negativ auf jene aus, die eben nicht so ein Leben führen, wie die anderen. Auch deshalb ist Transidentität ist in der Gesellschaft beinahe unsichtbar. Nur wenige treten mit ihrer transsexuellen Biografie öffentlich in Erscheinung. Zu viele haben Intoleranz, Vorurteile und transfeindliche Gewalt erfahren. Deshalb ist es umso erfreulicher, dass Kathrin Stahl mit ihrem Projekt Menschen gefunden hat, die bereit sind, aus der Unsichtbarkeit herauszutreten und uns an ihrer Geschichte teilhaben zu lassen.
Der Weg vom Mann zur Frau oder von der Frau zum Mann ist steinig und kostet diejenigen, die ihn gehen, sehr viel Kraft.
Nicht allein die bürokratischen Hürden und medizinischen Maßnahmen, sondern auch der Rollenwechsel im Angehörigenkreis und in der Öffentlichkeit verlangen Mut, Durchhaltevermögen und Willensstärke. Das erste Mal als Mann zur der Arbeitsstelle zu gehen, an der man jahrelang als Frau bekannt war, ist aufregend und aufreibend. Auch das erste Mal als Frau mit einem Bus zu fahren, ist oft mit Befürchtungen und Nervosität verbunden. Man kann Niederlagen erleben, oder aber auch ein Gefühl der Befreiung.
Sich für ein Leben in dem Geschlecht zu entscheiden, dem man sich schon immer zugehörig fühlt, sollte immer eine Befreiung sein. Und das gelingt nur, wenn man keine schiefen Blicke, den Verlust des Arbeitsplatzes oder Gewalt zu befürchten hat. Es gelingt, wenn man als der Mann angenommen wird, der man nun mal ist. Oder wenn man als die Frau angenommen wird, die man nun mal ist. Denn eigentlich sollte man als transidente Person weder besonders mutig noch besonders willensstark sein müssen, sondern einfach nur man selbst.
Und es ist die Aufgabe von uns allen, dieses Ziel zu erreichen.
Wir alle müssen mitarbeiten an einer Gesellschaft, die aufgeschlossen ist und in der wir uns gegenseitig mit Respekt und Akzeptanz begegnen. Wir alle sind gefordert, offen und unterstützend denen gegenüberzutreten, die nicht in dem Geschlecht geboren wurden, dem sie eigentlich angehören. Wir müssen bei Themen, von denen wir nicht viel wissen, aufmerksam sein, zuhören und verstehen.
Einen Beitrag dazu, wie wir verstehen können, leistet die Ausstellung „Max ist Marie“ von Kathrin Stahl, die transidente Menschen in Bildern und Worten porträtiert.
Die Protagonistinnen und Protagonisten haben nicht nur die Künstlerin eingeladen, ihnen näher zu kommen und einen Einblick in ihr Dasein zu erhalten, sondern auch uns.
Wir erfahren, wie transsexuelle und transidente Menschen ihren Weg von einem Geschlecht in das andere erleben und erlebt haben. Und wir erfahren auch, dass der Alltag der Protagonistinnen und Protagonisten nicht in erster Linie von ihrer Transidentität bestimmt wird, sondern von Normalität. Kathrin Stahl befreit mit ihren Bildern und Texten Transidentität von der ihr anhaftenden Exotik, damit sie als das Alltägliche wahrgenommen werden kann, das sie ist.
Aus diesem Grund haben sich die Landeshauptstadt Wiesbaden und die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität dazu entschieden, diese Ausstellung hier her zu holen und den Wiesbadenerinnen und Wiesbadenern zugänglich zu machen.
Wir lernen mit „Max ist Marie“ Persönlichkeiten kennen, die Transidentität für uns sichtbar und zugänglich machen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein wichtiger Schritt. Denn wenn wir über Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt sprechen, ist es eigentlich die Mehrheit, die einen Schritt auf die Minderheit zugehen sollte. Mit Neugier gegenüber den Menschen und Interesse für deren Themen ist ein Anfang gemacht, um Diskriminierung abzubauen und gelebte Vielfalt selbstverständlich und alltäglich werden zu lassen. [Deshalb freue ich mich, dass so viele Menschen heute zu dieser Eröffnung gekommen sind]
Ich danke auch Ihnen allen für Ihr Kommen und wünsche uns heute Abend viel Spaß und gute Gespräche.